Was ist eine Wohnungsgenossenschaft und wie funktioniert eine Wohnungsgenossenschaft? Eine Wohnungsbaugenossenschaft (kurz WBG) ist eine besondere Form unter den Genossenschaften und unter den Wohnungsunternehmen. Sie setzt sich in den meisten Fällen das oberste Ziel, ihren Mitglieder preiswerten und zeitlich unbegrenzten Wohnraum zur Verfügung zur stellen.
Eine Wohnungsbaugenossenschaft wird auch als Baugenossenschaft, Wohnungs-genossenchaft, Siedlungsgenossenschaft, Mietergenossenschaft oder als Bauverein bezeichnet.
Unterschiede zwischen einer Wohnungsbaugenossenschaft und anderen Wohnungsunternehmen?
Der wohl wichtigste Unterschied zwischen Wohnungsbaugenossenschaften und privatwirtschaftlichen Wohnungsunternehmen ist, dass in einer Baugenossenschaft die Grundsätze einer genossenschaftlichen Solidargemeinschaft zählen. Dazu gehören
- Selbsthilfe,
- Selbstverantwortung,
- Selbstbestimmung und
- Selbstverwaltung.
Bei einer Baugenossenschaft steht die Gewinnorientierung häufig nicht unmittelbar im Vordergrund, sondern lediglich die Schaffung von preisgünstigem und zeitlich unbegrenzt nutzbarem Wohnraum. Jedoch muss auch eine Genossenschaft effizient mit dem Kapital wirtschaften.
Außerdem zahlen Mitglieder einer Genossenschaft keine Kaution als Sicherung wie bei privaten Vermietern ein, sondern zeichnen Genossenschaftsanteile und sind somit Miteigentümer der Genossenschaft. Sie haben dadurch auch ein Mitbestimmungsrecht bei der zukünftigen Gestaltung der Genossenschaft.
Wie funktioniert eine Wohnungsgenossenschaft: Wie ist eine Genossenschaft aufgebaut?
Im Konstrukt einer Baugenossenschaft gibt es mehrere Akteure: Mitglieder der Genossenschaft, Vertreter, Aufsichtsrat, Vorstand und Beirat.
Genossenschaftsmitglieder einer Baugenossenschaft
Die Mitglieder einer Genossenschaft haben ein Stimmrecht, welches sie auf der einmal jährlich stattfindenden Generalversammlung nutzen dürfen. Denn auf der Generalversammlung einer Genossenschaft hat jedes Mitglied ein Anrecht bei wichtigen Entscheidungen mitzubestimmen. Zu den wichtigen Entscheidungen gehören zum Beispiel die Wahl des Aufsichtsrates, Ausschüttung von Dividenden oder Änderungen in der Satzung.
Mit einer Ausnahme: Hat die Baugenossenschaft mehr als 1.500 Mitglieder, darf die Generalversammlung in Form einer Vertreterversammlung abgehalten werden.
Vertreter der Genossenschaftsmitglieder
Die Generalversammlung kann auch in Form einer Vertreterversammlung gehalten werden. Dazu müssen folgende Bedingungen erfüllt sein: Erstens muss die Wohnungsgenossenschaft mehr als 1.500 Mitglieder haben und zweitens muss eine Vertreterversammlung in der Satzung vorgesehen sein.
Die Vertreter werden von den Mitgliedern für ein bestimmtes Gebiet gewählt. Die gewählten Vertreter sollen sich auf der Generalversammlung für die Belange der Mitglieder einsetzen.
Aufsichtsrat einer Wohnungsbaugenossenschaft
Wohnungsbaugenossenschaften haben in der Regel einen Aufsichtsrat, der aus mindestens drei Personen bestehen muss. Der Aufsichtsrat wird auf der Generalversammlung gewählt. Der Aufsichtsrat soll vor allem den Vorstand kontrollieren und dessen Geschäftsführung überwachen. Je nach Satzung können dem Aufsichtsrat noch weitere Aufgaben zugeteilt werden.
Vorstand einer Baugenossenschaft
Der Vorstand übernimmt die Geschäftsleitung einer Genossenschaft. Er ist gesetzlicher Vertreter und besteht aus zwei Vorstandsmitgliedern, die auf der Generalversammlung gewählt und abberufen werden. Bei kleinen Genossenschaften mit weniger als 20 Mitgliedern reicht jedoch die Bestimmung von nur einem Vorstandsmitglied.
Der Rahmen für die Befugnisse, die die Vorstandsmitglieder haben, wird durch die jeweilige Satzung der Baugenossenschaft bestimmt.
Beirat einer Wohnungsbaugenossenschaft
Sofern es die Satzung der Baugenossenschaft vorsieht, können auch Beiräte beschäftigt werden. Beiräte sollen den reibungslosen Geschäftsbetrieb unterstützen.
Wohnungsbaugenossenschaft und ihre Geschichte in Deutschland
Durch die Industrialisierung zog es Mitte des 19. Jahrhunderts immer mehr Menschen in die Städte. Der Wohnungsbau kam der enormen Nachfrage nicht mehr hinterher. Die Wohnsituation der städtischen Bewohner verschlechterte sich durch steigende Mieten und Überbelegung der Wohnungen dramatisch.
Ende der 1860er entschied sich der Norddeutsche Bund für ein erstes Genossenschaftsgesetz. Die Anzahl der Gründungen von Genossenschaften blieb jedoch gering, weil die Haftung unbeschränkt war und dieser Umstand viele potentielle Gründer abhielt.
Die gute wirtschaftliche Situation in Deutschland verschlechterte sich durch den Wiener Börsenkrach von 1873 schlagartig. Die darauffolgenden Jahre waren in Deutschland von wirtschaftlicher Stagnation und Armut gekennzeichnet. Die schlechte Wohnsituation in den Städten spitzte sich weiter zu und soziale Unruhen drohten.
Verbesserte Rahmenbedingungen für Genossenschaften ab 1889
Im Jahr 1889 trat schließlich das Genossenschaftsgesetz (GenG) in Kraft. Dies ermöglichte die Gründung von Genossenschaften, diesmal aber mit der Möglichkeit einer beschränkten Haftungspflicht.
Eine veränderte Sozialversicherungsgesetzgebung im gleichen Jahr ermöglichte den Genossenschaften eine leichtere Kreditaufnahme von günstigen Darlehen, die von den Versicherungsanstalten an die gemeinnützige Wohnungswirtschaft vergeben wurden.
Die Zahl der Wohnungsbaugenossenschaften stieg in Deutschland schlagartig innerhalb von 25 Jahren von 38 auf über 1.400 Baugenossenschaften an.
Wohnungsbaugenossenschaft nach dem Ersten Weltkrieg
Während des Ersten Weltkrieges stagnierte der genossenschaftliche Wohnungsbau in Deutschland. In den darauffolgenden Jahren setzte sich der ambitionierte genossenschaftliche Wohnungsbau aber wieder fort.
Wohnungsbaugenossenschaften in Deutschland heute
In Deutschland gibt es 2.000 Wohnungsgbaugenossenschaften mit einem Bestand von etwa zwei Millionen Wohnungen und drei Millionen Mitgliedern. Die größten Genossenschaften in Deutschland haben Wohnungsbestände mit mehr als 10.000 Wohnungen.
Sonderform der Wohnungsbaugenossenschaft: Beamten-Wohnungsverein
Beamten-Wohnungsvereie räumten Beamten, bessergestellten Bediensteten und deren Angehörigen preiswerten Wohnraum in besseren Wohnlagen zur Verfügung. Auch hinsichtlich der Architektur und der Innenausstattung unterschieden sich die Häuser der Beamten-Wohnungsvereie von den einfachen Baugenossenschaften für Arbeiter merklich.
Heutzutage spielt der Beamtenstatus für die Mitgliedschaft in einen Beamten-Wohnungsverein keine Rolle mehr.
In Berlin gibt es zwei Beamten-Wohnungsvereine:
Sonderform der Wohnungsbaugenossenschaft: AWG in der DDR
In der DDR wurde im Gegensatz zum Modell der gemeinnützigen Baugenossenschaften ein andere Form des genossenschaftlichen Bauens und Wohnens verstärkt gefördert: die Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften (AWG).
Quellen
Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften e.V. (ZdK) (2019): Wie funktioniert die Genossenschaft? https://genossenschaftsgruendung.de/wie-funktioniert-die-genossenschaft/, [12.03.2019]
dejure.org (2019): Genossenschaftsgesetz. § 24 Vorstand. https://dejure.org/gesetze/GenG/24.html, [12.03.2019]
dejure.org (2019): Genossenschaftsgesetz. § 38 Aufgaben des Aufsichtsrats https://dejure.org/gesetze/GenG/38.html, [12.03.2019]
dejure.org (2019): Genossenschaftsgesetz. § 43a Vertreterversammlung. https://dejure.org/gesetze/GenG/43a.html, [12.03.2019]
GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. (2019): Genossenschaften. https://web.gdw.de/der-gdw/unternehmenssparten/genossenschaften, [12.03.2019]
Berliner Mietverein e.V. (2017): Info 42: Was ist eine Wohnungsbaugenossenschaft? https://www.berliner-mieterverein.de/recht/infoblaetter/info-42-was-ist-eine-wohnungsbaugenossenschaft.htm, [12.03.2019]